Bericht vom Rundgang durch das "Obstsorten-Arboretum Olderdissen"

Zusammenfassung: 
Letzte Woche war kurzfristig die Exkursion zum Bielefelder „Weltnaturerbe“ angekündigt worden, was viele nicht mehr wahrnehmen konnten. Deshalb für alle, die nicht kommen konnten hier unser Bericht vom Rundgang am Freitag 06.09.2013 durch das "Obstsorten-Arboretum Olderdissen“. Beim Rundgang durch die Vielfalt der Apfelsorten ging es insbesondere darum, welche Apfelsorten auch für den Selbstversorger bzw. den ökologisch orientierten Obstanbau geeignet sind...

... und warum gerade die Marktapfelsorten, die man heute im Supermarkt kaufen kann, hier weitgehend ungeeignet sind. Und natürlich auch darum, mit welchen Problemen (Pilzkrankheiten, Schädlingen) man im Obstgarten zu tun hat bzw. was man hier vorbeugend tun kann (Sortenwahl, einfache Pflegemaßnahmen etc.).

Für Obstbauern war dieses Jahr ein schwieriges Jahr - denn aufgrund der lange Zeit feuchtwarmen Witterung sind viele Pilzkrankheiten (wie z.B. Mehltau, Schorf) in stärkerem Maße als sonst aufgetreten. Da im Obstsorten-Arboretum keinerlei Fungizid-Spritzungen durchführt werden, sind sämtliche Obstkrankheiten, die ein Apfelbaum so bekommen kann, in diesem Jahr "besser" zu besichtigen als in anderen Jahren - umso interessanter ist gleichzeitig, welche Apfelsorten sich auch unter schwierigsten Witterungsverhältnissen als resistent und vital erweisen!

Bei den beiden Hagelgewittern Anfang August 2013 wurde auch das Obstsorten-Arboretum stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Aussicht auf eine an sich gute Ernte in diesem Jahr wurde durch den Hagel stark gemindert. Ein Fünftel der Ernte fiel durch den Hagel direkt zu Boden, auf dem restlichen Obst (und auf Blättern und Zweigen) sind die Auswirkungen noch heute zu sehen!

Das riesengroße Problem im Apfelanbau ist, dass seit 1930 ausschließlich Sorten gezüchtet und vermehrt werden, die sich seit jeher als extrem anfällig für Pilzkrankheiten erwiesen haben. Alle heutigen Apfelsorten stammen von nur drei Sorten ab:

  1. dem Schorf-Weltmeister - Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious>
  2. dem Mehltau-WeltmeisterJonathan <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_%28Apfel%29>  
  3. dem Krebs-Weltmeister - Cox Orange <http://de.wikipedia.org/wiki/Cox_Orange>

Das bedeutet, dass sich nur mit extremem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verkaufsfähige Äpfel erzeugen lassen. 25 bis 30-mal - das heißt wöchentlich - muss im Erwerbsapfelbau gespritzt werden. Konventionelle Obstbaubetriebe wenden systemische Mittel an, die die Pflanze von innen gegen den Pilzbefall schützen. Bio-Betriebe wenden Schwefel <http://de.wikipedia.org/wiki/Schwefelkalk> - und Kupferpräparate an, die das Obst von außen schützen, aber bei jedem Regen abgewaschen werden und danach erneut appliziert werden. Ohne intensivstes Spritzen ist mit den heutigen Sorten kein Ertrag zu machen!
 
Wie konnte das geschehen? Warum wurden damals gerade diese 3 Apfelsorten ausgewählt?

  • • Keine Alternanz <http://de.wikipedia.org/wiki/Alternanz_%28Obstbau%29> – viele Alte Apfelsorten tragen nur jedes zweite Jahr den vollen Ertrag
  • • Beherrschbarkeit der Empfindlichkeiten (z.B. ehem. „Liebhabersorte“ Cox Orange): Dünger, Pflanzenschutz, maschinelle Entwicklung/Technik
  • • Supermarktketten: Haltbarkeit, Makellosigkeit, Uniformität, Größe, Farbe, Geschmack

Die Anforderung des Marktes an Makellosigkeit/Uniformität führte dazu, dass außer gegen den Pilzbefall und Apfelwickler <http://de.wikipedia.org/wiki/Apfelwickler>  auch gegen jeden weiteren kleinsten Einfluss behandelt wird.
 
Was kann man da tun?

Im eigenen kleinen Obstgarten muss man bewusst vorbeugend alte Apfelsorten pflanzen und am besten sogar selber veredeln <http://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenveredelung> , wenn man gesund bleibende Bäume haben will. Selbst Apfelbaumsorten aus Baumschulen können verwechselt werden, entsprechen nicht den Erwartungen oder verlieren mit der Zeit ihre eingekreuzte Resistenz gegen Pilzbefall.

Im Obst-Arboretum stehen alte und neue Sorten, befallene und gesunde, blattlausresistente und von Blattläusen heimgesuchte Apfelsorten nebeneinander und jetzt zur Erntezeit kann man hervorragend erkennen, wie sich die Bäume unter gleichen Standortbedingungen, bei gleichem Befallsdruck entwickeln und vor Kraft strotzen - oder leiden und kümmern! Mit der gewachsenen Erfahrung im Bielefelder Obst-Arboretum mit fast 400 Apfelsorten lassen sich die gesunden, widerstandsfähigen Sorten erkennen- besonders in diesem Jahr – hier und jetzt im September.
 
Apfelwickler <http://de.wikipedia.org/wiki/Apfelwickler> -Problematik

Der Apfelwickler <http://de.wikipedia.org/wiki/Apfelwickler>  befällt alle Sorten – auch die Alten Apfelsorten.  Der Schmetterling hat pro Jahr zwei Generationszyklen, die dem Apfel schaden.

  1. Etwa Mitte Mai beim ersten Biergarten-Wetter schlüpfen die Schmetterlinge, paaren sich und legen eine Woche später Eier, aus denen eine Made entsteht, die sich in den kleinen Apfel bohrt.  Die befallenen Äpfel fallen zu Boden und die Maden suchen sich nach dem Fall-Impuls irgendeinen Baumstamm, an dem sie hochkriechen und sich in einer verwinkelten Nische am Baum verpuppen.
  2. Im September schlüpfen die Schmetterlinge, paaren sich und legen eine Woche später Eier, aus denen…  s.o. Im September befallen die Maden die reifen Äpfel und verursachen dann richtig Schaden.

Was kann man dagegen tun?

  1. Ringe aus Wellpappe (s.o.) zur Zeit der Maden-Wanderung um die Stämme binden und alle drei Wochen erneuern. Die Maden akzeptieren die Löcher oder den Zwischenraum zum Stamm als idealen Ort, um sich zu Verpuppen. Die Wellpappe samt Maden alle drei Wochen vorsichtig lösen, verbrennen oder aus dem Garten - in den Müll.
  2. Lockstoffe in Verbindung mit Leimfallen.
  3. Pheromone in alle Bäume hängen, so dass die Männchen die Weibchen nicht mehr finden, außer wenn sie zufällig beim Flug zusammenkrachen ;-)

Rundgang durch die Alten Apfelsorten:

Edelborsdorfer <http://de.wikipedia.org/wiki/Edelborsdorfer>

(Hier mit Flecken vom Hagelschlag)

Älteste Apfelsorte in Deutschland, seit 1170 bei den Zisterzienser-Klöstern erwähnt, angebaut und von dort aus verbreitet. Galt  ab 1990 verschollen und wurde vor wenigen Jahren von H.J. Bannier im Streuobst wiederentdeckt.

Jonathan <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_%28Apfel%29> Watson

Mehltau-Weltmeister, zusätzlich mit Schorf auf der Frucht zwischen alten Sorten ohne Pilz-Befall.

Zabergäu Renette <http://de.wikipedia.org/wiki/Zaberg%C3%A4urenette>

Gesundes Laub – so kann/muss ein Apfelbaum ohne jeglichen Pflanzenschutz aussehen.

Roter Herbstkalvill <http://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Herbstkalvill> – Erdbeerapfel s.u.

Mit Erdbeergeschmack

Rote Sternrenette <http://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Sternrenette>  s.u.

s. Bleichstraße

Doppelter Prinzenapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelter_Melonenapfel>  s.u.

Doppelt groß...

Glockenapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Glockenapfel>  s.u.

Seestermühler Zitronenapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Seesterm%C3%BCher_Zitronenapfel>  s.u.


 
Bei großer Neugier :-) den Links folgen….

Altländer Pfannkuchenapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Altl%C3%A4nder_Pfannkuchenapfel>
Berner Rosenapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Berner_Rosenapfel>
Berlepsch <http://de.wikipedia.org/wiki/Berlepsch>
Finkenwerder Prinz <http://de.wikipedia.org/wiki/Finkenwerder_Herbstprinz>  
Goldparmäne <http://de.wikipedia.org/wiki/Goldparm%C3%A4ne>
Gravensteiner <http://de.wikipedia.org/wiki/Gravensteiner>
Prinz Albrecht von Preußen <http://de.wikipedia.org/wiki/Prinz_Albrecht_von_Preu%C3%9Fen>  
Schöner aus Boskoop <http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ner_aus_Boskoop>
Weißer Klarapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fer_Klarapfel>  (s. Bleichstr.)
Winterprinz <http://de.wikipedia.org/wiki/Winterprinz>

Schlimme Kreuzungen aus dem Ladenregal – aber – nicht für den Garten geeignet:

Alkmene <http://de.wikipedia.org/wiki/Alkmene_%28Apfel%29>: Cox Orange <http://de.wikipedia.org/wiki/Cox_Orange> x Oldenburg <http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimrat_Dr._Oldenburg>

Arlet <http://de.wikipedia.org/wiki/Arlet>: Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious> x Idared <http://de.wikipedia.org/wiki/Idared>

Braeburn <http://de.wikipedia.org/wiki/Braeburn_%28Apfel%29>: Cox Orange <http://de.wikipedia.org/wiki/Cox_Orange> x Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious> ? X ? Neuseeland

Elstar <http://de.wikipedia.org/wiki/Elstar>: Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious> x Ingrid-Marie <http://de.wikipedia.org/wiki/Ingrid-Marie>

Gala <http://de.wikipedia.org/wiki/Gala_%28Apfel%29>: Kidds Orange <http://de.wikipedia.org/wiki/Kidds_Orange>  x Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious>

Gloster <http://de.wikipedia.org/wiki/Gloster_%28Apfel%29>: Glockenapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Glockenapfel> x Richared Delicious <http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Richared_Delicious&action=edit&redlink=1>   Feuerbrand anfällig

Idared <http://de.wikipedia.org/wiki/Idared>:  Jonathan <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_%28Apfel%29> x Wagenerapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Wagenerapfel>

Jonagold <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonagold>:  Jonathan <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_%28Apfel%29>  x Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious>

Melrose <http://de.wikipedia.org/wiki/Melrose_%28Apfel%29>: Jonathan <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_%28Apfel%29> x Red Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Red_Delicious>

Pinova <http://de.wikipedia.org/wiki/Pinova>:  Clivia <http://de.wikipedia.org/wiki/Clivia_%28Apfel%29> x Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious> (in halb Frankreich angebaut)

Rubinette <http://de.wikipedia.org/wiki/Rubinette>: Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious> x Cox Orange <http://de.wikipedia.org/wiki/Cox_Orange>

Shampion <http://de.wikipedia.org/wiki/Shampion>: Golden Delicious <http://de.wikipedia.org/wiki/Golden_Delicious> x Cox Orange <http://de.wikipedia.org/wiki/Cox_Orange> '
 
Versuch Resistenzen einzukreuzen

Remo <http://de.wikipedia.org/wiki/Remo_%28Apfel%29>: Jonathan <http://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_%28Apfel%29>  x Malus floribunda (Japanischer Wildapfel) <http://de.wikipedia.org/wiki/Japanischer_Wildapfel> (Bei Remo wurde das entsprechende Marker-Gen einer Wildapfelart eingekreuzt, um Mehltau-Resistenz zu erhalten. Remo galt als resistent gegen Apfelschorf <http://de.wikipedia.org/wiki/Apfelschorf> , Mehltau <http://de.wikipedia.org/wiki/Mehltau>  und Feuerbrand <http://de.wikipedia.org/wiki/Feuerbrand> und unempfindlich gegenüber Winter- und Blütenfrost. Allerdings musste bei Oelde eine Bio-Plantage von 1 ha gerodet werden, weil nach 10 Jahren die Resistenz gegenüber Mehltau in der Monokultur zusammengebrochen war.)

Topaz <http://de.wikipedia.org/wiki/Topaz>: Tschechische Kreuzung als Winterapfel <http://de.wikipedia.org/wiki/Winterapfel>  im Bio-Anbau insbesondere wg. Schorfresistenz <http://de.wikipedia.org/wiki/Apfelschorf> .
 
Wahl der Unterlage für Veredelung <http://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenveredelung>  mit Reisern

Seit Jahrhunderten ist es europäische Tradition, Paradies-Äpfel als Unterlagen zu benutzen.

M9  <http://de.wikipedia.org/wiki/M9_%28Apfel%29> wurde 1917 in der englischen East Malling Research Station aus Äpfeln der Sorte „Gelber Metzer Paradies“ selektiert und trägt nach seiner Herkunft aus East Malling das M im Namen.


<http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Applerootstock.png>
<http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Applerootstock.png>
Größe eines Apfelbaums auf verschiedenen Unterlagen der Malling-Serie von schwach bis stark wachsend.

Es können Reiser von mehreren Sorten auf eine Unterlage gepfropft werden:  z.B. Sommer/Herbst/Winterapfel
 

Westfälische Apfelsorten werden wiederentdeckt: http://www.lwl.org/westfalen-regional-download/PDF/129n_Apfelsorten.pdf

Lokalsorten aus Westfalen:



Schöner aus Wiedenbrück <http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ner_aus_Wiedenbr%C3%BCck>  s.u.



 
Links: http://www.obstsortendatenbank.de/sorten.htm

Beste Grüße aus dem Arboretum!


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